Im Rehabilitationsprozess ist nicht nur der Körper gefordert. Ein Interview mit der Psychotherapeutin Priska Garbely und dem Psychiater Marco Gfeller.
Priska Garbely und Marco Gfeller begleiten Menschen darin, ihren Kopf konstruktiv einzubringen. Ein Interview im MAGNAO September 2022.
Zu Ihrer Klientel zählen unter anderem Menschen im Rehabilitationsprozess. Mit welchen Themen sind Sie da besonders häufig konfrontiert?
Marco Gfeller: Ein häufiges Thema sind Krankheiten, teils mit chronischen Schmerzen. Wir unterstützen Menschen darin, damit einen Umgang zu finden.
Priska Garbely: Viele sind älter und befinden sich in einem Lebensübergang. Ihre Mobilität ist beispielsweise stark eingeschränkt, und es ist offen, ob der Aufenthalt verlängert werden soll oder eine Zwischenlösung in einem Pflegeheim notwendig ist. Die Ungewissheit kann psychisch stark belasten.
Inwiefern kann in solchen Lebenslagen der Kopf, die Gedanken, dienlich sein?
P.G.: Wir schauen gemeinsam mit der Person ihren Spielraum an. Zum Beispiel wie sie die Zeit in der Klinik nutzen kann, ihre Gesundheit zu stärken, autonomer zu werden. Oder zu überlegen, was im Moment dennoch Freude machen könnte. Auch wechseln wir mit ihr die Perspektive. Ich gebe ein Beispiel: Eine Person, deren Partner einen verlängerten Aufenthalt befürwortet, denkt womöglich, der Partner wolle sie nicht daheim haben. Da rege ich zum Überlegen an: Was könnte die gute Absicht des Partners sein? Denkt die Person, dass der Partner ihn in der Gesundung unterstützen will, gibt das ein positiveres Grundgefühl.
M.G.: Gerade im Reha-Prozess ist der Kopf sehr wichtig: Er hilft, am Therapieplan und den Zielsetzungen dranzubleiben. Er aktiviert den Willen und die Disziplin und hilft auf diese Weise mit, nach der Reha wieder heimkehren zu können.
Der Kopf wird zuweilen also auch zum Hindernis. Was hilft dann?
M.G.: Es ist in solchen Situationen sehr wirkungsvoll, den Kopf einmal beiseite zu lassen und in den Körper zu gehen, mit sanften Körper- und Atemübungen. Für viele Menschen ist das nicht einfach. Wir geben ihnen die Möglichkeit, dies im therapeutischen Rahmen einzuüben. Körperübungen können helfen, einen nächsten Schritt zu gehen, sich auf etwas Neues einzulassen. Das passt gut in die Reha. Hier geht es um den Körper und das Vertrauen in ihn.
P.G.: Sehr nützlich ist auch die Arbeit mit Bildern. Mit Klienten zum Fluss zu gehen oder gemeinsam Bilder anzuschauen kann guttun. Visualisierungen sprechen eine andere Ebene an als die Sprache. Es wirkt dadurch umfassend motivierend, auch auf der Gefühlsebene. Um neue Perspektiven einnehmen zu können, hilft es auch, etwas Ungewohntes zu tun, zum Beispiel bewusst aus einem anderen Gefäss trinken. Klei-
ne Veränderungen begünstigen weitere Veränderungen.
Wann macht es Sinn, ein Medikament einzusetzen?
M.G.: Manche Patienten haben schwere Operationen hinter sich oder leiden an einer schweren Erkrankung. Sie sind sehr niedergeschlagen und antriebslos. Da können Medikamente eine Grundenergie ermöglichen, damit die Person überhaupt in einen Prozess einsteigen kann. Medikamente werden nur vorsichtig eingesetzt, denn viele Patienten sind älter und nehmen bereits andere Medikamente.
P.G.: Glück erzeugt Glück. Wenn ich glücklich bin, schütte ich Botenstoffe aus, die mir ermöglichen, das Glück zu erleben. Viele unserer Klienteinnen und Klienten sind so belastet, dass die Glücksbotenstoffe reduziert sind. Gemeinsam mit den Beteiligten schauen wir jeweils, wie es gelingen kann, zu mehr Glücksmomenten und Zufriedenheit zu finden – mit oder ohne Medikamente. Die Zusammenarbeit mit Therapien, Pflege, Arztdienst und allen anderen Disziplinen ist in der aarReha zum Glück sehr unkompliziert. Wir alle wollen das Beste für unsere Klientel.
In der aarReha Schinznach arbeiten ein Psychiater und sechs Psychotherapeutinnen / Psychologinnen. Sie begleiten Menschen während der stationären Rehabilitation und vermitteln bei Bedarf weiterführende Unterstützung nach Austritt. Auch ambulante Psychotherapie wird angeboten.
Interview und Redaktion: Anouk Holthuizen
Bild: Pat Wettstein